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From the Library of
Wilkelm & Alice Weiss
Given in their memory
by their children.
STANFORD
UNIVERSITY
LIBRARIES
ARTHUR HÖLITS C H E R
Reise
durch das jüdische
Palästina
1922
S. Fischer / Verlag / Berlin
. •■• V.
Mit fünfzehn Bildern und einer Karte
3)S|0-7.3
Hl
Erste bis zehnte Auflage
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung
Copyright 1922 by S. Fischer, Verlag, Berlin
Meinem lieben Freunde Alfons Herzberger
Schon so viel Jahr
trag ich sein Zorn,
und meine Haar
schon weiß geworn.
Ich muß noch wandern
von eim Land zum andern,
eham bangt sich mir fort/
Nach Jeruschalajim, nach Jeruschalajim,
dem teuren heiligen Ort.
Au$ „CHAZOT' von BBIRACH SCHAFIR,
4intm armen jüdischen Landstreicher.
auf tiefem Stemenmeer dahinschwimmenden Sichel des öst-
lichen Mondes.
Es sind noch nicht viele von diesen neuen Chaluz-Dich-
tungen aufgezeichnet. Die bekanntgewordenen werden
mündlich verbreitet, eben von jenen „Spaziergängern", die
sie aus ihrem Entstehungsort an eine entfernte Abendtafel
mitbringen; so finden sie ihren Weg vom Norden nach
Süden, von Ebene zu Berg. — Jeder, jede hat ja aus der
Galuthheimat ein Lied, einen Gesang, eine Tanzweise mit-
gebracht; aus Litauen, Polen, Kleinrußland, aus dem
Ghetto, aus Synagogen, aus chassidischen Kreisen. Wild
verzweifelte, anklägerische hörte ich: den Sang vom alten
Rabbi, der den Machthabern dieser Welt, wie sie ihn be-
drängen, mit Bibelworten und Anrufung Gottes und der
Propheten entgegnet. Jenen schaurigen: Jesaja 5, vom
unfruchtbaren Weinberg:
„Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel,
Und die Männer Judas
Seine Pflanzufig, daran er Lust hatte.
Er wartete auf Recht, siehe, es ist Schinderei;
Auf Gerechtigkeit, siehe, so ist's Klage?"
Sie singen ihn nach schwerer Mühe des Tages, nach schwerer
Schlacht gegen die Feinde. Sie singen die unsterblichen
Worte zu einer seltsam aufreizenden chassidischen Weise.
Viele lustige Lieder gibt es auch, es sind ja zumeist lustige
Lieder, die man singt, aus der Frohheit der Gemeinschaft,
der Freude an dem Leben unter Brüdern. Aber es ist der
jüdische Frohsinn, die schwere, geschlagene Seele bedrückt,
verzerrt den Rhythmus, und durch den heitersten dieser
Gesänge tönt der zum Sterben traurige Unterton der Klage
gegen das übermächtige Schicksal hindurch, das das Volk
seit Jahrtausenden bedrängt, — eben jene Klage Jesaja,
das schaurige Warum.
Ist sie etwa nicht da, diese Klage, in dem übermütigen
Lied vom Rabbi Elimelach, der, „als er ist geworden froh-
lach, hat gerufen nach den Zimbelern, den zwei" ? Und auch
64
Das hebräische Gymnasium in Tel-Awiw erhebt seine
imposante Stukkaturfassade am Ausgang der Herzl-Straße,
gegenüber vom Einwanderungsamt. Direktor Dr. Mossin-
son, ein Mann von vielerlei Verdiensten, führt mich von
Hörsaal zu Hörsaal. Dann ist Pause, und wir bleiben oben
in der Galerie stehen, von der man den Blick auf den
Garten um das breit angelegte Haus, auf Straße und Häuser
ringsum hat; auch in die Fenster des Einwanderungsamtes
kann man liineinschauen von unserem Standort.
Unten im Garten tummeln sich die Schüler und Schüle-
rinnen. Es sind Kinder und junge Leute aller Alters-
stufen, vom kurzen Höschen bis zum Stimmwechsel. Zum
größten Teil sind es Kinder seßhafter Tel-Awiwer Bürger,
auch der Kolonisten aus den alten ehrwürdigen Orten
Rischonle Zion, Petach-Tikwah, Sichron- Jakob, südlich und
nördlich von Jaffa. Sie repräsentieren so etwas wie eine
heranwachsende, selbstbewußte jüdische Bourgeoisie. Sie
sind sozusagen die zweite Generation, die dritte, ja die vierte,
sie haben bereits ihre Ahnen ; — während die dort draußen
vor dem Gitter, die jungen Männer und Frauen, die sich
auf der Straße vor dem Einwanderungsamt drängen, Leute
von heut früh sind, eben Hereingekommene, Zeltbewohner,
sozusagen Nomaden, auf alle Fälle Fremdlinge. — um nicht
zu sagen: Eindringlinge.
Die Kinder lärmen froh im Garten umher. Jenseits des
Gitters lärmen Chaluzim und Chaluzoth — um Arbeit.
Sie belagern das Amt. Oben der tüchtige junge Gordon hat
seine Not mit ihnen.
Die Kinder schauen durch das Gittt-r zu jenen hinüber,
die auf der Straße stehen. Die auf der Straße aber haben
keine Zeit, durchs Gitter zu schauen. In ihren gelben
Hemden, breiten Cowboyhüten stehen sie da. und ihrStimmen-
gewirr steigt laut, den Lärm der Kinder übertönend. Diese
wissen: es sind die Chaluzim. Es sind die Chaluzoth. Auf
den Ebenen, auf den Bergen, heute hier, morgen dort,
werden sie ein Leben unter der Sonne führen, reiten, Wagen
t)Ö
und wehklagend ins Gemäuer. Der Engel II Der Engel
hat das Wasser berührt II
Krüppel, Kranke, Unglückliche steigen ins Wasser des
kleinen Teiches, das mit einemmal Heilkraft gewonnen hat.
Sie steigen tief in das Wasser hinunter, entsteigen ihm als
Gesunde. Das Wunder des Glaubens, der Engel selber hat
sie berührt. Der Teich Israels hat sie geheilt.
Solch ein Teich Israels, solch ein Teich Bethesda, aus
unterirdischer, geheimnisvoller Quelle gespeist, ist das heu-
tige jüdische Palästina. Lange ruhte es still. Jetzt hat der
Engel es berührt.
In dieses aufgerührte, vom Engel berührte Bad möge
das Judentum der Welt steigen und dort Genesung finden.
ßücher von
ARTHUR HOLITSCHER
DER GOLEM
Ghetto leg ende
WORAUF WARTEST DU
Roman
•
AMERIKA HEUTE UND MORGEN
Reiseerlebnisse, Mit 72 Abbildungen, 11, Auflage
BRUDER WU R M
Dichtungen und Bekenntnisse aus unserer Zeit
IN ENGLAND / OSTPREUSSEN / SÜDÖSTERREICH
Sammlung von Schriften zur Zeitgeschichte
DAS AMERIKANISCHE GESICHT
Sammlung von Schriften zur Zeitgeschichte
DREI MONATE IN SOWJET-RUSSLAND
15. Auflage
•
WEISSE LIEBE
Roman
AN DIE SCHÖNHEIT
Trauerspiel
VON DER WOLLUST UND DEM TODE
DER VERGIFTETE BRUNNEN
Roman
DER SENTIMENTALE ABENTEURER
Novelle
GESCHICHTEN AUS ZWEI WELTEN
2. A uflage
SCHLAFWANDLER
Erzählung
ADELA BOURKES BEGEGNUNG
Roman. 5. A ufl ag e
Druck der S|iaui ergehen Buchdiuckerei in Lcipzif;